http://www.rth.info/news/news.php?id=1482
Hallo miteinander,
irgendwie habe ich nur darauf gewartet, dass ich eine solche Meldung lese. Scheinbar ist es seit den letzten vier Jahren Mode, neue Luftrettungszentren wie Pilze aus dem Boden schießen zu lassen.
Weiden, Augsburg, Dinkelsbühl, Angermünde und nun kommt auch Kaiserslautern mal wieder ins Rennen. Berlin fordert schon seit Jahren den dritten Hubschrauber und allgemein hat man immer wieder den Eindruck, dass Rettungshubschrauber gerne zu Gegenständen bei politischen Debatten oder "Wahlkampfthemen" sind.
Nebenbei versucht man vermeintlich hartnäckig irgendwo einen weiteren NEH zu etablieren. Nachdem Cuxhaven schnell wieder aus dem Rennen war und eingestampft wurde, wollte man einen Weiteren in Hartenholm (wo Jahre zuvor schon CHR 52 - nun CHR E5 in Niebüll - vertreten war) aufbauen, diesmal auch mit einem ordentlichen Medienecho und einigen Vorkommnissen, die jeglicher Grundlage entbehren.
"Christoph Kaiser" wurde während der Fußball-WM 2006 vorgehalten (wie eine weitere Maschine in Berlin "Christoph 31B") und selbstverständlich großzügig durch die örtliche Leitstelle eingesetzt. Seither ist man in "Laudere" ganz scharf auf ein solches "Spielzeug".
Zugegeben, Kaiserslautern liegt am Rand des Einzugsgebiets von CHR 5 in Ludwigshafen, kann aber dennoch in fast der gleichen Zeit von CHR 16 in Saarbrücken, CHR 43 in Karlsruhe oder aber CHR 53 in Mannheim erreicht werden. Auch der in Mainz stationierte Dual-Use-RTH/ITH CHR 77 ist in eine passablen Zeit dabei. Gut, auf CHR 77 kann man nur noch bis 22 Uhr zugreifen, wenn man Nachts einen Hubschrauber braucht, muss entweder der ITH aus Hessen oder aber der luxemburgische LAR 3 anreisen, was mit einem nicht unerheblichen Zeitaufwand verbunden ist. Allerdings ist man an diesem hausgemachten Problem selbst schuld, aber darauf möchte ich noch einmal ein wenig später eingehen.
Vielleicht ein wenig weit hergeholt, aber dennoch gar nicht so abwegig, der in Landstuhl stationierte Dust Off-Hubschrauber der US Army (DustOff 214), auf den man im äußersten Notfall ebenfalls hätte zugreifen können, wird demnächst nach Grafenwöhr verlegt. Alles in allem standen und stehen also genug luftgestützte Komponenten zur Verfügung.
Das Westpfalzklinikum in Kaiserslautern kann durchaus als Zentrum der Maximalversorgung angesehen werden. Man kann also durchaus sagen, dass in Kaiserslautern eigentlich alles so ist wie es sein sollte... wenn da nicht die desolate Notarztsituation am Boden wäre.
Es ist ein offenes, aber nicht weniger schmerzvolles Geheimnis, dass die Notarztsituation in Rheinland-Pfalz alles andere als gut ist. Die Einsatzzahlen von CHR 5 und CHR 10 in Wittlich sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Wenn man sich dann noch die Indikationen anschaut, für was inzwischen die Rettungshubschrauber gerufen werden (in ganz Deutschland, nicht nur in RLP), dann kann man nur mit dem Kopf schütteln.
In Mainz wurde wegen eine Bürgerinitiative und einem nicht enden wollenden Streit der nächtliche Flugbetrieb eingestellt (wobei man sich generell GEGEN den Hubschrauber an der Uniklinik aussprach) und nun fordert eine andere BI, dass ein Rettungshubschrauber etabliert werden soll?! Wie schizophren ist unsere Gesellschaft eigentlich inzwischen??
Nur das wir uns richtig verstehen, ich persönlich bin durchaus ein Befürworter der Luftrettung und halte das deutsche System für eines der Besten auf der Welt. Die Dichte, in der uns Rettungs- und Intensivtransporthubschrauber zur Verfügung stehen, ist unerreicht und durchaus auch notwendig. Dennoch wehre ich mich vehement dagegen, dass die Luftrettung als Lastesel für alles herhalten soll. Es kann nicht angehen, dass die Luftrettung die desolate Situation und die nicht ausreichende Dichte an bodengebundenen Notarztstandorten ausmerzt, bzw. auffüllt. Weiterhin erachte ich es als absolutes Unding, das solche Institutionen als politische Joker herhalten müssen und das auf dem Rücken Anderer.
Machen wir uns nichts vor, der Rettungsdienst wird im deutschen Gesundheitswesen als Nischenmarkt angesehen und auch so behandelt. Abgesehen von der Tatsache, dass wir über kein bundeseinheitliches Feuerwehr- und Rettungsdienstgesetz verfügen und das eigene Überleben buchstäblich also davon abhängig ist, in welchem Bundesland oder in welcher Region man lebt, wird der Rettungsdienst und die Luftrettung zusätzlich noch als politische Verhandlungsmasse eingesetzt, vor allem dann, wenn Wahlen anstehen oder es dem jeweiligen Politiker gerade in den Kram passt.
Augsburg kann hier als wunderbares Beispiel gelten. Mitte der 1990er Jahre, als Horst Seehofer noch Gesundheitsminister war, fand er die Installation eines Luftrettungszentrum in Augsburg gar nicht en vogue und die Sache verschwand genau so schnell wieder in der Schublade. In den letzten zwei Jahren hat er es zum wahren Politikum erklärt, dass der Hubschrauber unbedingt nach Augsburg muss und gegenüber einer Stationierung in Donauwörth große Vorteile bringt. Finde ich wirklich klasse, wir schnell Ansichten und Überzeugen quasi pervertiert werden können, getreu dem Motto: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?!".
Und genau das sehe ich nun in Angermünde, Dinkelsbühl und Kaiserslautern. Gut, ich will nun nicht pauschal alle Neu-Stationierungen verteufeln, aber es bleibt dennoch ein gewisses Geschmäckle.
Wieso wird die Situation am Boden nicht verbessert? Was nützt mir ein Rettungshubschrauber in der Nacht, wenn er nicht im Dienst ist, oder aber bei schlechtem Wetter, wenn er nicht starten kann?
Wäre es nicht besser, den bodengebundenen Rettungsdienst derart auszubauen, dass er innerhalb seiner geforderten Hilfsfristen sicher operieren kann... und das rund um die Uhr?
Man kann Kopfschmerzen nicht beseitigen, indem man den Kopf abschneidet oder aber wie wild mit Luftrettungsmitteln um sich schmeisst.
Wem nützt das? Wie bekommt man das eigentlich mit dem "Verbraucher" kommuniziert oder aber der nächsten wütenden Bürgerinitiative, die sich dann wieder wutschnaubend darüber aufregt, dass man an einem sonnigen Sonntag nicht mehr in Ruhe seine Brötchen auf der Terrasse genießen kann?
Von den Kosten einmal ganz zu schweigen.
Wie ich schon schrieb, ich bin ein deutlicher Befürworter des bundesdeutschen Luftrettungsnetzes, allerdings komme ich nicht mehr um den Gedanken herum, dass man mit der Etablierung von Luftrettungsstandorten langsam aber sicher mit Kanonen auf Spatzen schießt.
Wer bis hierhin alles gelesen und durchgehalten hat, den beglückwünsche ich... an dessen Meinung zu dem Ganzen bin ich durchaus interessiert.
Ich freue mich auf eine angeregte Diskussion...