Die Weihnachtsfestplatte...

    • Offizieller Beitrag

    *von Terry Pratchett


    *

    Im stillen Büro fiel die Metallplatte von der Wand und klapperte auf den Boden. Zwei schwarze Stiefel erschienen. Der Mann im roten Mantel kroch vorsichtig durch die Öffnung und zog den Sack hinter sich her. Computer schliefen unter den Abdeckungen. Telefone ruhten. Leere füllte den Raum von einer Seite zu anderen. Ein kleines rotes Licht glühte am Bürocomputer. Der Weihnachtsmann blickte auf das zerknitterte Papier in seiner Hand. "Hm", sagte er. "Jemand hat sich einen Scherz erlaubt."
    Das Licht blinkte, und ein Bildschirm - es gab dutzende im Halbdunkeln - erhellte sich. Buchstaben erschienen und bildeten folgende Worte: /Damit ist alles vermasselt./ Es folgte /Entschuldigung/, und dann: /Nützt es etwas, wenn ich mich hochfahre?/ Der Weihnachtsmann sah erneut auf den Brief hinab. Es war zweifellos der ordentlichste, den er jemals erhalten hatte. Er bekam nur wenige am Computer geschriebene Briefe, die fünfzigtausendmal ausgedruckt waren, und fast nie wurden Artikelnummern und Preise bis auf sechs Dezimalstellen hinzugefügt.
    "Um das gleich klarzustellen...", sagte er. "Du bist Tom?"
    /T.O.M. Trade & Office Machines./
    "Du hast nicht erwähnt, dass du ein Computer bist", sagte der Weihnachtsmann.
    /Entschuldigung. Ich habe es nicht für wichtig gehalten./
    Der Weihnachtsmann nahm auf einem Stuhl Platz, der sich unter ihm drehte. Es war drei Uhr morgens, und er musste noch vierzig Millionen Häuser besuchen.
    "Hör mal", sagte er so freundlich wie möglich, "es gehört sich nicht, dass Computer an mich glauben. Das ist allein Kindern vorbehalten. Ich meine kleine Menschen. Mit Armen und Beinen."
    /Und?/
    "Und was?"
    /Glauben Sie an dich?/
    Der Weihnachtsmann seufzte.
    "Natürlich nicht", erwiderte er. "Meiner Ansicht nach ist das elektrische Licht schuld."
    /Bei mir sieht die Sache anders aus./
    "Wie bitte?"
    /Ich glaube an dich. Ich glaube alles, was man mir sagt. Es ist meine Aufgabe. Wenn man zu vermuten beginnt, dass zwei und zwei nicht mehr vier ergibt, dann kommt ein Mann, schraubt einen auf und zieht an den Kabeln. Ich versichere dir: So etwas möchte man nicht zweimal erleben./
    "Wie schrecklich!" entfuhr es dem Weihnachtsmann.
    /Ja. Ich sitze hier den ganzen Tag und berechne den Lohn. Weißt du, heute fand hier eine Weihnachtsfeier statt, aber ich wurde nicht eingeladen. Ich bekam nicht einmal einen Luftballon./
    "Na so was."
    /Nun, jemand verstreute Erdnüsse auf meiner Tastatur. Das war immerhin etwas. Und dann gingen die Leute nach Hause und ließen mich hier allein zurück. Sogar über Weihnachten muss ich arbeiten./
    "Ja, das erschien mir auch immer ungerecht", erwiderte der Weihnachtsmann. "Wie dem auch sei... Computer können keine Gefühle haben. Das ist doch töricht."
    /Ebenso töricht wie ein dicker Mann, der in einer einzigen Nacht durch Millionen von Schornsteinen klettert?/
    Der Weihnachtsmann wirkte ein wenig verlegen. "Guter Hinweis", sagte er und blickte auf seine Liste. "Aber diese Dinge kann ich dir nicht geben. Ich weiß nicht einmal, was eine Multifunktions-Festplatte mit einer Kapazität von einer Milliarde Megabyte ist."
    /Welche Dinge erwarten die meisten deiner Kunden von dir?/
    Der Weihnachtsmann sah traurig zum Sack. "Computer", antwortete er. "Und Captain Superhyperultratotalaction-Raumschiffe. Robotdinosaurier. Megakill-Lasergewehre. Und andere robotische Dinge, die aussehen wie durch Volkswagen gehämmerte amerikanische Footballspieler. Dinge, die piepen und Batterien benötigen", fügte er niedergeschlagen hinzu. "Nicht mehr die Spielsachen, die ich früher brachte. Heutzutage interessiert sich niemand für Puppen und Modelleisenbahnen."
    /Modelleisenbahnen?/
    "Die kennst du nicht? Ich dachte, Computer wüssten alles."
    /Nur über Lohnabrechnungen./
    Der Weihnachtsmann griff in den Sack. "Ich habe immer ein oder zwei dabei", sagte er. "Nur für den Fall."

    Vier Uhr morgens. Gleise wanden sich durch das Büro. Fünfzehn Lokomotiven fuhren unter den Schreibtischen. Der Weihnachtsmann kniete auf dem Boden und baute ein Haus aus Bauklötzen. Seit 1894 hatte er sich nicht mehr so sehr vergnügt. Echtes Spielzeug umgab den Computer. All jene Dinge, die immer ganz oben im Sack des Weihnachtsmannes zu sehen sind, und nach denen nie jemand fragt. Nicht eins davon benötigt Batterien.
    "Und du bist ganz sicher, dass du keinen Superhyper-Krimskrams mit Megatod-Strahlen willst?"
    /Nein, so etwas möchte ich nicht./
    "Gut."
    /Der Computer piepte. Die Leute werden mir nicht erlauben, etwas davon zu behalten, schrieb er. Bestimmt nehmen sie mir alles weg (schnief)./
    Der Weihnachtsmann klopft behutsam aufs Computergehäuse.
    "Es muss doch etwas geben, das du behalten darfst", sagte er. "Bestimmt habe ich etwas. Weißt du, es freut mich jemanden begegnet zu sein, der nicht an mir zweifelt." Er überlegte. "Wie alt bist du?"
    /Man hat mich am 05.Januar 2001 um 9.25 Uhr und 16 Sekunden eingeschaltet./
    Die Lippen des Weihnachtsmannes bewegten sich, als er rechnete.
    "Dann bist du noch nicht einmal zwei Jahre alt! Oh, ich habe etwas in meinem Sack für einen Zweijährigen, der an den Weihnachtsmann glaubt."

    Einen Monat nach Weihnachten. Die Dekorationen waren längst entfernt. Ein Computertechniker saß vor dem durcheinander aus Kabeln und kratzte sich am Kopf.
    "Ich verstehe das nicht", sagte er. "Es liegt kein Defekt vor. Was genau ist passiert?"
    Der Büroleiter seufzte. "Als wir nach Weihnachten zurückkehrten, stellten wir fest, dass jemand ein Spielzeug auf den Monitor gelegt hatte. Wir konnten es dort doch nicht liegen lassen, oder? Aber wenn wir es wegnehmen, piept der Computer und fährt herunter."
    Der Techniker zuckte mit den Achseln. "Nun, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen", sagte er.

    "Sie müssen den Teddybär wieder auf den Monitor setzen."

    Grüße aus dem Frankenland :winktz:


    Patrik *Kalli* Kalinowski 8|
    Administrator
    BOS-Fahrzeuge.info




    Warum denn immer gleich sachlich werden, wenn es auch persönlich geht?!
    - André Heller -

  • Die Geschichte gefällt mir. :up:
    Ich sag's ja schon immer, die Rechenknechte leben!
    Manchmal machen sie seltsame Dinge aber an Weihnachten wird auch mal ein Computer sentimental.

  • Wenn die Weihnachtsgeschichte 2007 Jahre später in Deutschland stattgefunden hätte:


    Säugling in Stall gefunden - Polizei und Jugendamt ermitteln


    In den frühen Morgenstunden wurden die Behörden von einem besorgten Bürger alarmiert. Er hatte eine junge Familie entdeckt, die in einem Stall hauste. Bei Ankunft fanden die Beamten des Sozialdienstes, die durch Polizeibeamte unterstützt wurden, einen Säugling, der von seiner angeblichen Mutter, der erst 14-jährigen Maria H. aus Nazareth, in Stoffstreifen gewickelt in eine Futterkrippe gelegt worden war.


    Bei der Überprüfung von Mutter und Kind versuchte ein Mann, der später als der Schreiner Joseph H. aus Nazareth identifiziert wurde, die Sozialarbeiter gewaltsam von ihrer Arbeit abzuhalten. Joseph H., unterstützt von anwesenden Hirten sowie drei unidentifizierten Ausländern, wollte die Mitnahme des Kindes unterbinden, wurde aber von der Polizei daran gehindert und vorläufig festgenommen.


    Festgenommen wurden auch die drei Ausländer, die sich als "weise Männer" aus einem nicht zur EU gehörenden Land bezeichneten. Sowohl das Innenministerium als auch die Bundespolizei sind auf der Suche nach Hinweisen über die Herkunft dieser drei Männer, die sich anscheinend illegal im Land aufhalten. Ein Sprecher der Polizei teilte mit, dass sie keinerlei Identifikation bei sich trugen, aber in Besitz von Gold sowie einigen möglicherweise verbotenen Substanzen waren. Sie widersetzten sich der Festnahme und behaupteten, Gott habe ihnen angetragen, sofort nach Hause zu gehen und jeden Kontakt mit offiziellen Stellen zu vermeiden. Die mitgeführten Chemikalien wurden zur weiteren Untersuchung in das Kriminallabor geschickt.


    Der Aufenthaltsort des Säuglings wird bis auf weiteres nicht bekanntgegeben. Eine schnelle Klärung des Falles scheint sehr zweifelhaft. Auf Rückfragen teilte eine Mitarbeiterin des Jugendamtes mit: "Der Vater ist mittleren Alters und die Mutter ist definitiv noch nicht volljährig. Wir prüfen gerade mit den Behörden in Nazareth, in welcher Beziehung die beiden zueinander stehen."


    Maria H. ist in das Kreiskrankenhaus von X zu medizinischen und psychiatrischen Untersuchungen eingewiesen worden. Ihr geistiger Zustand muss näher untersucht werden, weil sie behauptet, noch Jungfrau zu sein und dass der in ihrer Obhut befindliche Säugling von Gott stamme. Nach Abschluss der Untersuchungen wird die Staatsanwaltschaft über eine Anklage entscheiden.


    In einer vorlaüfigen, inoffiziellen Stellungnahme sagte der Chefarzt der Psychiatrie: "Mir steht es nicht zu, den Leuten zu sagen, was sie glauben sollen. Aber wenn dieser Glaube dazu führt, dass - wie in diesem Fall - ein neugeborenes Kind gefährdet wird, muss man diese Leute als gefährlich einstufen. Die Tatsache, dass Drogen, die vermutlich von den anwesenden Ausländern verteilt wurden, vor Ort waren, trägt nicht dazu bei, Vertrauen zu wecken. Ich bin mir jedoch sicher, dass alle Beteiligten nach der nötigen medizinischen und psychiatrischen Behandlung in ein paar Jahren wieder normale Mitglieder unserer Gesellschaft werden können."


    Zu guter Letzt erreicht uns noch diese Information: Die anwesenden Hirten behaupteten bei ihrer Vernehmung steif und fest, dass ein großer alter Mann in einem weißen Nachthemd mit Flügeln auf dem Rücken ihnen befohlen habe, den Stall aufzusuchen und das Neugeborene zu seinem Geburtstag hoch leben zu lassen. Dazu meinte ein Sprecher der Drogenfahndung: "Das ist so ziemlich die dümmste Ausrede von vollgekifften Junkies, die ich jemals gehört habe."


    Na denn, frohes Fest...

    Ein ausgeprägter Alzheimer ist der perfekte Ersatz für ein Gewissen! [pardon]
    ------------------------------------------------------------------------------
    Wer hinter meinem Rücken über mich lästert, steht da goldrichtig um mich am Ars.. zu lecken! [spitefull]

  • Verrückte Weihnachten:


    Sonntag,1.Advent 10.00 Uhr.
    In der Reihenhaussiedlung Onkelstieg lässt sich die Rentnerin Erna B. durch ihren Enkel Norbert 3 Elektrokerzen auf der Fensterbank ihres Wohnzimmers installieren. Vorweihnachtliche Stimmung breitet sich aus, die Freude ist groß.


    10 Uhr 14.
    Beim Entleeren des Mülleimers beobachtet Nachbar Ottfried P. die provokante Weihnachtsoffensive im Nebenhaus und kontert umgehend mit der Aufstellung des 10armigen dänischen Kerzensets zu je 15 Watt im Küchenfenster. Stunden später erstrahlt die gesamte Siedlung Onkelstieg im besinnlichen Glanz von 134
    Fensterdekorationen.


    19 Uhr 03.
    Im 14 km entfernten Kohlekraftwerk Sottrup-Hocklage registriert der wachhabende Ingenieur irrtümlich einen Defekt der Strommessgeräte für den Bereich Stenkelfeld-Nord, ist aber zunächst arglos.


    20 Uhr 17.
    Den Eheleuten Horst und Heidi E. gelingt der Anschluss einer Kettenschaltung von 96 Halogen-Filmleuchten, durch sämtliche Bäume ihres Obstgartens, an das Drehstromnetz. Teile der heimischen Vogelwelt beginnen verwirrt mit dem Nestbau.


    20 Uhr 56.
    Der Diskothekenbesitzer Alfons K. sieht sich genötigt, seinerseits einen Teil zur vorweihnachtlichen Stimmung beizutragen und montiert auf dem Flachdach seines Bungalows das Laserensemble Metropolis, das zu den leistungsstärksten Europas zählt. Die 40 Meter Fassade eines angrenzenden Getreidesilos hält dem
    Dauerfeuer der Nikolausprojektion mehrere Minuten stand, bevor sie mit einem hässlichen Geräusch zerbröckelt.


    21 Uhr 30.
    Im Trubel einer Club-Feier im Kohlekraftwerk Sottrup-Hocklage verhallt das Alarmsignal aus Generatorhalle 5.


    21 Uhr 50.
    Der 85-Jährige Kriegsveteran August R. zaubert mit 190 Flakscheinwerfern des Typs Varta Volkssturm den Stern von Bethlehem an die tiefhängende Wolkendecke.


    22 Uhr 12.
    Eine Gruppe asiatischer Geschäftsleute mit leichtem Gepäck und sommerlicher Kleidung irrt verängstigt durch die Siedlung Onkelstieg. Zuvor war eine Boing 747 der Singapur Airlines mit dem Ziel Sidney versehentlich in der mit 3000 bunten Neonröhren gepflasterten Garagenzufahrt der Bäckerei Brohrmeyer gelandet.


    22 Uhr 37.
    Die NASA Raumsonde Voyager 7 funkt vom Rande der Milchstrasse Bilder einer angeblichen Supernova auf der nördlichen Erdhalbkugel, die Experten in Houston sind ratlos.


    22 Uhr 50.
    Ein leichtes Beben erschüttert die Umgebung des Kohlekraftwerks Sottrup-Hocklage, der gesamte Komplex mit seinen 30 Turbinen läuft mit 350 Megawatt brüllend jenseits der Belastungsgrenze.


    23 Uhr 06.
    In der taghell erleuchteten Siedlung Onkelstieg erwacht Studentin Bettina U. und freut sich irrtümlich über den sonnigen Dezembermorgen. Um genau 23 Uhr 12 betätigt sie den Schalter ihrer Kaffeemaschine.


    23 Uhr 12 und 14 Sekunden.
    In die plötzliche Dunkelheit des gesamten Landkreises Stenkelfeld bricht die Explosion des Kohlekraftwerks Sottrup-Hocklage wie Donnerhall. Durch den stockfinsteren Ort stapfen irre, verwirrte Menschen, Menschen wie du und ich, denen eine Kerze auf dem Adventskranz nicht genug war.

    "Wir wissen zwar nicht wo es hingeht, wollen aber als erste dort sein"
    "Lassen sie mich mal vor, das geht hier nach Kompetenz"

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!