Beim Lesen des Beitrags habe ich erst ungläubig gestaunt, dann meine Vorurteile hochgeholt und dann angefangen, darüber nachzudenken.
Jeder Retter kennt das genaue Gegenteil des in Hamburg geschehenen Falls:
der 200-kg-Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose seit der Pubertät, welcher um 03:00 Uhr den RTW in seine Hochhaussiedlungswohnung bestellt, weil der seit vier Wochen eingewachsene Zehennagel jetzt auf einmal mörderisch wehtut...
Was ist hier in HH konkret passiert:
jemand wollte einer bekannten Person aktiv Hilfe leisten.
Ein med. Notfall ist unabhängig vom kulturellen Hintergrund für viele Menschen eine einmalige Ausnahmesituation in ihrem Leben.
"Wir Retter" hingegen kennen jedes Akutkrankenhaus in unserem RD-Bereich incl. Besucherhaupteingang und Wirtschaftshof und können aus dem Stand eine Bewertungsliste sämtlicher Klinikkantinen aufzählen!
In einer psych. Ausnahmesituation greift das Hirn auf bereits gemachte Erfahrungen blitzschnell zurück und handelt dann.
Es ist quasi eine Instinktreaktion und keine logisch strukturierte Handlung unter Berücksichtigung lokaler Ressourcen.
Auch in Europa war der Transport von verletzten / erkrankten Personen im eigenen PKW z.B. in Italien und Griechenland bis in die 70-er-Jahre durchaus üblich - es gab dort gar keinen RD!
Und vermutlich werden sich viele hier an die Bilder aus dem jugoslawischen Bürgerkrieg erinnern, als Transporte im eigenen PKW gang und gäbe waren.
Gut, wir haben hier weder Bürgerkrieg noch Erdbeben - nur einen individuellen medizinischen Notfall - aber unser Hirn kann so schnell nicht unterscheiden, es gibt uns nur das, was es als Erfahrung abgespeichert hat.
Der Mann hat letztendlich das gemacht, was Politiker so gerne "gesellschaftliches Bürgerengagement" nennen.
Der Mann hat es gut gemeint - leider nicht sehr gut gemacht.
Eine "clevere" Hambuger Hiorg wäre jetzt gut beraten, Helfer und Patient einen EH-Lehrgang samt individueller RTW-Besichtigung als Geschenk für das Engagement zu spendieren und das ganze öffentlichkeitswirksam in der Tagespresse zu plazieren.