Patient mit versuchtem Suizid

  • Hm. Mal eine Frage an die versammelte Gemeinschaft.


    Gegeben ist eine Patientin mit einer Tabletten-Intox in (erfolgloser) suizidaler Absicht. Intubiert beatmet auf die Intensivstation, einige Tage später die Verlegung in die Psychiatrie. Ein junge, hübsche, intelligente Frau. Ein guter Beruf und dann der Unfall und die Hemiparese. Damit hat das Elend begonnen. Verlust des Jobs, Verlust der Perspektive.


    Ich hab kein Problem mit spritzendem Blut und gebrochenen Knochen, aber hier fällt mir irgendwie schwer das einfach als Tagesgeschäft laufen zu lassen. Daher rätsel ich ob es angebracht ist oder überhaupt Sinn macht mal vorbei zu schauen in der Klinik und nochmal Hallo zu sagen. Nicht das ich wirklich sinnvoll wüsste was zu sagen, aber wenigstens erkundigen wie es ihr geht. Letztlich ändern an der Situation kann ich ja nichts, aber mir fällt es hier irgendwie schwer das einfach so hinzunehmen.


    Oder doch besser Augen zu und nicht mehr drüber nachdenken, warten das es vorbei geht wie so vieles zuvor auch ?

    "Wir wissen zwar nicht wo es hingeht, wollen aber als erste dort sein"
    "Lassen sie mich mal vor, das geht hier nach Kompetenz"

  • Wenn es dir ein persönliches Anliegen ist mehr zu erfahren, würde ich vorbei schauen - du scheinst dir ja mehr Gedanken als üblich. Evtl. wird es auch ihr helfen, wenn sie sieht, das Fremde sich um sie Gedanken machen.

  • ...manchmal ist es besser, nicht nachzufragen.


    Du bist ja schon emotional beteiligt und willst nun dein Gewissen beruhigen.


    Was aber, wenn du nun Dinge erfährst, die dir das Ganze noch schwerer machen ?


    Vielleicht erfährst du von weiteren Problemen die in dir noch mehr Empathie hervorrufen ?


    Vielleicht sieht dich die Person als "Stütze" an - dann hängst du drin und kannst dich nicht mehr so einfach rausziehen wenn du z.B. keine Zeit mehr hast... immerhin ist sie ja suizidal und du willst ja nicht Schuld sein wenn ...


    oder du freundest dich mit ihr an und irgendwann begeht sie nochmal so eine Tat ... du stehst hilflos da und gibts dir etwas Mitschuld weil du nichts bemerkt hast ...



    ... man weiß nie wo sowas endet .... darum gilt für mich:


    ab der Tür ist Feierabend und Privatleben. Punkt. Aus. Ende


    Und ich finde dass so ein gewisser (professioneller) Abstand jedem Gut tut.


    Man muss auch auf sich selbst achten und kann sich nicht um alles kümmern.

    es gibt immer einen Idioten der einem die Tour versaut !
    genau Einen !

    • Offizieller Beitrag

    Zum Einen kann es einen natürlich noch tiefer reinziehen, je mehr man erfährt, desto mehr wird man emotional verwickelt. Gerade wenn es weiter bergab gehen sollte... Andererseits kann es aber auch hilfreich (für beide Seiten) sein - ich würde das an jedem Einzelnen festmachen, eine pauschale, richtige Aussage wird es da wohl nicht geben. Ich würde es gefühlsmäßig entscheiden und dann noch eine Nacht "rational" drüber schlafen und dann das tun, was ich für richtig halte.

    Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

  • Das sind im Prinzip alles die Gedanken die mir auch durch den Kopf gehen. Momentan fällt mir nur schwer zu entscheiden welche Seite überwiegt. Das ist ja nicht der erste Patient mit dieser Konstellation (also Suizidversuch aus diversen privaten Problemen usw.). Allerdings macht mich hier, bei aller Professionalität, die Situation mehr zu schaffen als dies normal wäre, bzw. beschäftigt mich deutlich mehr. Und das obwohl ich mitunter doch relativ kaltschnäuzig sein kann. Nicht umsonst gibt es bestimmte Leute die mich als Dr.House des Rettungsdienst bezeichnen.


    Ich stell mir auch die Frage ob die Dame überhaupt wert darauf legt. Ob sie lieber alleine ist und gar nicht darauf angesprochen werden möchte. Andererseits kommt da auch wieder das von Iscu gesagte durch. Durch die Unterhaltung während der Fahrt hatte ich irgendwie das Gefühl das sie irgendeinen halt sucht. Im Gegensatz zu so manchem anderen suizidalem Patient wirkte sie unheimlich labil und zerbrechlich und hin und hergerissen zwischen erzählen und verschweigen. Dazwischen immer ein lächeln und ein interessiertes nachfragen ihrerseits.

    "Wir wissen zwar nicht wo es hingeht, wollen aber als erste dort sein"
    "Lassen sie mich mal vor, das geht hier nach Kompetenz"

  • Wenn es dich so stark beschäftigt, würde ich wirklich mal hingehen.
    Du mußt dich ja nicht vor ihr offenbaren. Einfach ein unverbindliches Gespräch - evtl. kannst du dich ja vorher mit dem behandelnden Arzt/Ärztin kurzschließen, um abzuschätzen in was für einem Zustand sie sich befindet.
    Aber schlußendlich weißt du sicherlich nur selbst, wie weit du dich vorwagen kannst. Argument Pro und Contra sind dir ja aus deinem Job mehr also bewußt.

    Einmal editiert, zuletzt von Icsunonove ()

  • irgendwie kommt es mir vor, als habe sie dir vom Äusseren her sehr gut gefallen .... :-))


    Wahrscheinlich spielen Dinge eine Rolle, die sich auf einer ganz anderen Ebene abspielen ....


    Jemand anderes, mit gleicher Epikrise, aber 100 Pfund mehr auf den Rippen und ohne Lächeln hätte dir diese Gedanken sicher nicht beschert.


    die Frage ist, ist das Äussere gleich dem Inneren ?


    Und die Frage ist:
    kannst du wirklich helfen ? oder gehst du am Ende selbst drauf ?



    Falls es das ist, was ich denke .... puh .... schlaf ne Nacht drüber ... und noch eine ... und wenn sie dir dann immer noch nicht aus dem Kopf geht -> besuche sie ;)

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    genau Einen !

  • Zitat

    Original von kellern


    ab der Tür ist Feierabend und Privatleben. Punkt. Aus. Ende


    Und ich finde dass so ein gewisser (professioneller) Abstand jedem Gut tut.


    Der Ansicht würde ich mich auch anschließen.

  • Üblicherweise ist der Einsatz des RD nach der Übergabe in der Klinik wirklich vorbei.
    Natürlich freut man sich auf eine positive Rückmeldung über den Zustand des vom RD primär erfolgreich reanimierten Patienten oder über eine gut verlaufene Polytraumatisierung.
    Genauso wird man in irgend einer Weise Anteil nehmen, wenn dreimal wöchentlich denr gleiche Patient zur Nierenwäsche hin- und hergefahren wird.
    Doch das sind eigentlich die Ausnahmen.


    Du willst Deine Patientin ansprechen?
    In Ordnung, versuch es!
    Geh in die Klinik - am besten in Deiner Einsatzkleidung, damit die Patientin schneller einen Wiedererkennungswert hat - und nimm Kontakt auf.
    Du wirst wie im normalen Leben auch, recht schnell merken, ob Deine Gesprächspartnerin sich wirklich freut, oder ob es ihr peinlich ist oder-oder-oder.
    Wenn letzteres der Fall sein sollte, dann tritt sofort und ohne Wiederholungsgefahr den Rückzug an.


    Nimm keine Blumen oder etwas ähnliches mit!
    Du willst Dich einfach nur informieren und einen kleinen Besuch machen - mehr nicht.

    Sauerstoff und Nierenschale waren unser Notfallequipment - der graue Parka unsere Warnkleidung - und der VW-KTW das Non-plus-ultra der Notfallrettung

    Einmal editiert, zuletzt von raphael-wiesbaden ()

  • Hallihallo,


    ich würde es so machen,wie Raphael-Wiesbaden vorschlägt.Es darf nie so aussehen,als ob Du privat nach Ihr schaust.Auch keine Blumen,Pralinen dgl. mitbringen.Wie es mit dem Tragen der Einsatzkleidung zu diesem Zweck aussieht,weiß ich jetzt nicht 100% zu sagen.bei uns wäre das sicher nicht so gerne gesehen.
    Natürlich ist,wie oben durch einen anderen Forumskameraden geschrieben eigentlich mit der Übergabe eines Patienten in der Klinik der Kontakt zu ende.Andererseits möchte ich persönlich Dir mitteilen,dass gerade diese Gedanken sehr für Dich sprechen in einer menschlichen und vor allem mitmenschlichen deutlichen Sprache.
    Ich denke,dass Du ein Ha. RTD-Mitarbeiter bist? Gerade dann,wo ihr doch viel öfter in schwere Einsätze geht als wir ea. RS/RA ist das eine sehr schöne Sache.
    Überdenke die ganze Angelegenheit und treffe dann für Dich Deine Entscheidung.
    Ich wünsche Dir viel Glück bei dieser sicher nicht einfachen Überlegung.


    Mit liebem Gruß
    Udo

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