Fallbeispiel: Disposition von Einsatzmitteln

  • Tach Zusammmen,


    anbei mal ein kleines Fallbeispiel, bei dem Ihr Euch ein wenig austoben dürft. Es geht mir hier ausschließlich darum, was Ihr als Disponent einer Leitstelle alarmiert hättet.

    Zitat

    Anruf gegen Abend auf einer Rettungsleitstelle. Der Anrufer schildert, er habe seit kurzem hohen Blutdruck und Schweißausbrüche und möchte daher einen Notarzt haben. In diesem Gespräch mit der Rettungsleitstelle gibt der Anrufer an, in diesem Jahr bereits zwei Herzinfarkte binnen weniger Tage gehabt zu haben.


    Wie würdet Ihr als zuständiger Leitstellendisponent reagieren?


    Viele Grüße
    Tobias

  • ... wer zwei Infarkte überlebt hat, der überlebt auch einen dritten !


    Nein, im Ernst: wenn man das so liest, dann natürlich nen NEF (RTH) und nen RTW ... allerdings:


    wenn man weiß was da täglich für Spacken in der Leitstelle anrufen, wo medizinische Laien mit gefährlichem Halbwissen andauernd selbst die schlimmsten Diagnosen stellen und stets nach dem "Notarzt" verlangen, weil das das einzige Schlagwort ist, welches sie in dem Zusammenhang kennen, dann muss man als Disponent schon versuchen sehr genau zu unterscheiden ... schließlich hat man nicht 50 NEF im Kreis und kann jedem gemäß "wünsch' dir was" eines schicken.


    Und wo Menschen Entscheidungen treffen (müssen) geschehen auch mal Fehler.



    Darum: man müßte den Leitstellenmitschnitt kennen, wissen glaubhaft sich der Anrufer ausdrückte (Gesamtumstände) und auch wissen, was z.Zt. für die Leitstelle an Arbeitsaufkommen und verfügbare Rettungsmittel gab.


    Aus dem Gesamtpaket könnte man sich dann ein Urteil bilden.

    es gibt immer einen Idioten der einem die Tour versaut !
    genau Einen !

  • Ich würde mindestens einen RTW hinschicken, je nach Verfügbarkeit auch ein NEF.


    Hellau & Allaaaaf aus Wien :-))
    Patrik

  • Vossi,
    ist das ernsthaft so geschehen, oder veralberst Du uns ein wenig.



    Kellern hat Recht, die Notfallmeldung kann sehr abenteuerlich sein. Aber vorausgesetzt, sie stimmt, gibt es nur eins: artzbesetztes Rettungsmittel und RTW. Ansonsten macht sich der Disponent u. U. der unterlassenen Hilfeleistung schuldig.

  • Nein,

    Zitat

    Original von ruebar63
    Vossi,
    ist das ernsthaft so geschehen, oder veralberst Du uns ein wenig.

    das ist so leider wirklich passiert ...


    Und ich überlege mir auch noch, ob es sich lohnt, da was zu machen ... aber ich bezweifel irgendwie, dass das was bringt ...


    Und ja ... ich weiß, was da teilweise für ein Scheiß ankommt, aber da der Anrufer deutlich aus dem Alter der "Scherz-Anrufe" raus ist und die beiden letzten Infarkte rund 8 Wochen Krankenhausaufenthalt bedeutet haben, weiß er auch, was er macht.


    Von daher ... in diesem Fall glaube ich ausnahmsweise der Bild-Zeitung ... äh ... dem Erzähler dieser Informationen.


    Rüdiger ...


    mir persönlich hätte auch der RTW alleine ausgereicht, von mir aus auch ohne Einsatzfahrt ...

  • Meine Meinung:
    ärztl. Notdienst bei den geschilderten Symptomen und der Vorgeschichte absolut indiskutabel.
    RTW als absolutes Minimum. Ob der ohne Blaulicht Sinn macht, kommt sicher auf die örtlichen Gegebenheiten an. NEF nach Verfügbarkeit...


    Zu deinem Kollegen:
    Da MUSS man meiner Meinung nach etwas machen. Wer als Disponent auf die "Soundwörter" des geschilderten Fall keinen Notfall indiziert, gehört nachgeschult...

  • Tja ...

    Zitat

    Original von Betriebswirt
    Meine Meinung:
    ärztl. Notdienst bei den geschilderten Symptomen und der Vorgeschichte absolut indiskutabel.
    RTW als absolutes Minimum. Ob der ohne Blaulicht Sinn macht, kommt sicher auf die örtlichen Gegebenheiten an. NEF nach Verfügbarkeit...

    das sehe ich ja ähnlich ... allerdings mit der Einschränkung, dass das NEF nicht zwingend erforderlich ist, da der Patient ja selbst angerufen hat und wohl ziemlich genau schildern konnte, was Sache ist.

    Zitat

    Original von Betriebswirt
    Da MUSS man meiner Meinung nach etwas machen. Wer als Disponent auf die "Soundwörter" des geschilderten Fall keinen Notfall indiziert, gehört nachgeschult...


    Wie oft hat man sich früher im aktiven Dienst gewünscht, dass solche Missstände passieren, wenn man auch privat "Zugriff" auf die Patienten hat ... Und jetzt sitzt man zu weit weg, als dass man da sinnvoll etwas machen kann.


    Wäre ich vor Ort gewesen, hätte ich wohl ein wenig Terror gemacht ... und dann wäre da auch ein NEF mit vor Ort gewesen, und wenn sie das hätten malen müssen.


    In der Konsequenz sind sie (Patient und Ehefrau) dann mit dem Taxi ins Krankenhaus gefahren, nachdem er Kopien des letzten Entlassungsschreibens gemacht hat. Der ärztliche Bereitschaftsdienst hat sich das nur kurz angesehen und den Patienten dann ganz schnell weiter in die Notaufnahme geschoben ...

  • Zitat

    Original von t_voss...Und ja ... ich weiß, was da teilweise für ein Scheiß ankommt, aber da der Anrufer deutlich aus dem Alter der "Scherz-Anrufe" raus ist und die beiden letzten Infarkte rund 8 Wochen Krankenhausaufenthalt bedeutet haben, weiß er auch, was er macht.
    ...


    Medizinisches Halbwissen ist nicht an ein Alter gebunden,


    und, die Frage ist ja auch, wie gut ist der Mann in der LST vom Patienten informiert worden, sodass auch der Disponent den Eindruck gewinnen konnte, dass sich sein Gegenüber auskennt ?


    Vielleicht wäre es in solchen Fällen hilfreich wenn die LST-Software bei der Eingabe schon nach vorangegangenen Einsätzen sucht, dann würde man sehen dass da z.B. drei Mal der RTW angefahren und ohne Transport wieder abgerückt ist, oder dass bereits zwei NAW-Transporte ins Spital stattgefunden haben.


    Sowas könnte helfen Fehleinschätzungen zu reduzieren, ist aber auch nur ein Mosaikstein.



    Und ob da nur ein RTW, mit oder ohne Blaulicht reicht:


    Da müssen wir nun aber konsequent sein ! Wenn wir dem Disponenten schon virtuell in den Allerwertesten treten und ihn beschuldigen einem HI nicht den nötigen Respekt zu zollen, dann müssen wir auch gradlinig bleiben. Das bedeutet dass natürlich ein Arzt dazu gehört. Denn wie wir alle wissen, kann der Patient jetzt noch selbst telefonieren aber im nächsten Moment schon sein Kammerflimmern bekommen. Zudem haben sich im Rahmen der präklinischen Infarkttherapie einige Medikamente als günstig erwiesen die nicht in unserer Macht stehen ...


    So gesehen könnte man auch über uns herziehen, würden wir zu so einem HI "nur" einen RTW schicken ...

    es gibt immer einen Idioten der einem die Tour versaut !
    genau Einen !

    Einmal editiert, zuletzt von kellern ()

  • Zitat

    Original von kellern
    Vielleicht wäre es in solchen Fällen hilfreich wenn die LST-Software bei der Eingabe schon nach vorangegangenen Einsätzen sucht, dann würde man sehen dass da z.B. drei Mal der RTW angefahren und ohne Transport wieder abgerückt ist, oder dass bereits zwei NAW-Transporte ins Spital stattgefunden haben....


    Nein, das sehe ich anders. Dann besteht die Gefahr, einen Notruf nicht Ernst zu nehmen, weil der RTW dort schon dreimal eine Fehlfahrt hatte. Dummerweise ist es diesmal aber tatsächlich ein lebensbedrohlicher Notfall (auch wenn der Pat. noch telefonieren kann).
    Der Disponent sollte nur aus der Abfrage seine Einschätzung machen und dementsprechend seine Rettungsmittel schicken.


    Und ich bleibe dabei: V. a. Re-Infarkt rechtfertigt RTW und Arzt.

  • ja Rüdiger, deswegen sagte ich dazu dass es nur ein Mosaikstein ist, denn genau diese Gefahr sehe ich auch:


    "Es war immer ne Fehlfahrt, dann ist das jetzt auch nichts"


    aber in diesem Fall wäre es eine Hilfe gewesen in der Richtung:


    "Ups, der hat Recht, da waren wir schon zwei Mal wegen Herz, Ok, dann schicke ich mal los ..."


    Der Disponent muss innerhalb kurzer Zeit ne richtige Einschätzung treffen, darum kann er vielleicht jede Hilfsmittel gebrauchen, wie z.B. eine Einsatzhistorie - die die meisten Anrufer sowieso nicht haben werden, aber gerade (kritisch) chronisch Kranke könnten davon profitieren.


    Man kann sich einfach nicht an jeden echt-Kranken Stammkunden erinnern, meisstens bleiben einem ja nur die üblichen Suff-Anruferadressen in Erinnerung.

    es gibt immer einen Idioten der einem die Tour versaut !
    genau Einen !

  • Also ...


    im Zweifel ist es ja eh falsch, egal wie man es gemacht hat. Aber einen Patienten mit so einer Vorgeschichte einfach an den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu verweisen, empfinde ich als eine ziemliche Frechheit.


    Allerdings seh ich das derzeit auch aus eienr etwas anderen Sichtweise, als wenn ich auf dem RTW unterwegs wäre und vieleicht wegen so einem Anruft nachts raus muss.


    Trotzallem, zu allen nicht ganz eindeutigen Anrufen (speziell, wenn ich nichts weiteres rauskriegen würde) muss ich mittels RTW nachschauen, was da Sache ist.


    Inwieweit eine Einsatzhistorie da helfen kann, weiß ich nicht. Einerseits sehe ich da schon Vorteile, aber andererseits seh ich da auch genausoviele gefahren.


    Warten wir mal ab, was sich da jetzt noch herausstellt ... derzeit habe ich leider auch keine weiteren Infos, als die, die ich gepostet habe. Und wissen will ich das noch viel mehr als ihr ;)

  • Hi,


    Zitat

    Original von t_voss


    im Zweifel ist es ja eh falsch, egal wie man es gemacht hat. Aber einen Patienten mit so einer Vorgeschichte einfach an den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu verweisen, empfinde ich als eine ziemliche Frechheit.


    im Prinzip ja....


    Zitat


    Trotzallem, zu allen nicht ganz eindeutigen Anrufen (speziell, wenn ich nichts weiteres rauskriegen würde) muss ich mittels RTW nachschauen, was da Sache ist.


    Es kommt auch darauf an, ob und welche Rettungsmittel man innerhalb welcher Zeit verfügbar hat, wie der ärtzl. Notdienst organisiert ist usw.


    Vor langer Zeit wurde in Bayern der ärztl. Notdienst durch die RLSt. disponiert. Die ABD-Doc´s´s hatten BOS-Funk im Auto, die Erreichbarkeit der jeweiligen Ärzte (Melder, Telefon Praxis oder Privat) war der RLSt. bekannt. In einer solchen Konstellation ist es leicht, mal "nur" den ABD vorbeizuschicken, wenn man ihn direkt erreicht und weis, dass er auch ohne Blaulicht innerhalb 5-10 Minuten vor Ort sein kann (gleiche Ortschaft etc.)


    Die Regel wird aber sein, bei unklaren Meldungen einen RTW mit Blau "zum Gucken" zu schicken. Ist´s Schafsch..., ist der RTW schnell wieder klar, ist es was Ernstes, hat man eine gute Erstversorgung und qualifizierte Nachforderung des NA (wenn dieser nötig ist). In Gegenden mit First-Responder ist es noch besser - FR+RTW, der Erste (i.d.R. der FR) gibt die qualifizierte Rückmeldung und gut is.


    Und schliesslich gibt es fast überall einen NA-Indikationskatalog, der festlegt, wann ein NA alarmiert werden muss Dann hilft auch kein "RTW zum Gucken" usw. - wenn bei der Notrufabfrage die entspr. Verdachtsdiagnosen/Meldebilder gestellt werden, muss (!) der NA dazu.


    Und es gehört zur Natur der Sache im RD, dass bei manchen Einsätzen weder Meldebild noch Rettungsmittel passen. Ich hatte schon "Bewusstlose", die bei Eintreffen des RD geflüchtet waren und auch sowas wie "viele Schmerzen in Rücken", bei dem noch (fast) das Messer steckte, das die Schmerzen verursacht hatte....


    Es gibt Abfrageschemata, die eine schnelle und möglichst genaue Diagnose und Entscheidung bzgl. Einsatzmittel ermöglichen, aber ganz unfehlbar sind auch diese Methoden nicht. Auch schon deshalb, weil sich z.B. gerade der Herzinfarkt hinter sehr vielfältigen Beschwerden verstecken kann und/oder manche Leute mit ihren Schilderungen über- oder auch untertreiben.


    Gruß


    Erich

    Ich weiss, was ich sage. Ich weiss nicht, was du verstehst

  • Hi,


    Zitat

    Original von kellern


    Vielleicht wäre es in solchen Fällen hilfreich wenn die LST-Software bei der Eingabe schon nach vorangegangenen Einsätzen sucht, dann würde man sehen dass da z.B. drei Mal der RTW angefahren und ohne Transport wieder abgerückt ist, oder dass bereits zwei NAW-Transporte ins Spital stattgefunden haben.


    Sowas könnte helfen Fehleinschätzungen zu reduzieren, ist aber auch nur ein Mosaikstein.


    Eben - nur ein Mosaikstein - mehr nicht. Ich kenne einen bei uns auf der Wache bestens bekannten Stammpatienten. Alkoholiker, ist immer nur besoffen, will dann doch nie ins KH usw. Aber trotzdem fahren wir immer mit Blaulicht dorthin, auch wenn man beim Lesen des Alarmschreibens schon sagt "ach ne, der Herr "Huber" schon wieder....". Und wie´s halt so ist - wir hatten auch schon "richtige" Notfallsituationen bei Herrn "Huber" (z.B. Ösophagus-Varitzenblutung)


    Gruß


    Erich

    Ich weiss, was ich sage. Ich weiss nicht, was du verstehst

  • Ganz ehrlich? Wenn der Patient noch selbst anruft, auf Nachfragen (?) keinerlei Schmerzsymptomatik angibt und "fit" klingt, geht bei mir nur ein RTW raus. Meinetwegen mit Musik, weil der Teufel mich nicht mag. NA nur bei Nachforderung durch das RTW-Team oder erneutem Anruf mit deutlich verschlimmerter Symptomatik. So viele Akademiker habe ich ja auch nicht auf der Pfanne...


    Mir fällt bei sowas immer der arme LS-Kollege ein, der vor ca. 25 Jahren während unserer Schicht in Darmstadt mal das volle Programm mit RTW und NAW abzog, weil eine furchtbar hektische ältere Dame ihm mitgeteilt hatte, ihr 73jähriger Mann liege völlig blau in der Küche und gebe keinen vernünftigen Mucks mehr von sich (Wörtlich!). Nach wenigen Minuten standen 6 weissgekleidete Herren um einen stockbesoffenen Rentner herum, der auf dem Küchenboden saß und zotige Lieder sang...

    Ein ausgeprägter Alzheimer ist der perfekte Ersatz für ein Gewissen! [pardon]
    ------------------------------------------------------------------------------
    Wer hinter meinem Rücken über mich lästert, steht da goldrichtig um mich am Ars.. zu lecken! [spitefull]

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!